NORWEGISCHE VOLKSMUSIK IM SCHALLARCHIV
by Hans-Hinrich Thedens (Universitetet i Oslo)

Pdf document

Back to contents

NORWEGISCHE VOLKSMUSIK IM SCHALLARCHIV 

Hans-Hinrich Thedens (Universitetet i Oslo)

 

Fragt man Norweger nach ihrer Volksmusik, kann man mit einer Reihe von unterschiedlichen Antworten rechnen. Viele werden zur Beschreibung Instrumente nennen, zuallererst die Hardangerfiedel (Hardingfele), die als das Nationalinstrument gilt, auch wenn sie nur in Teilen des Landes gespielt wird. In anderen Teilen erklingt an ihrer Stelle die "gewöhnliche Fiedel", d.h. die Violine. Auch die Griffbrettzither Langeleik, die Maultrommel und die ländlichen Blasinstrumente Rindentrompete, Bockshorn (entweder als Trompeten- oder Klarinetteninstrument), grifflochlose Flöten, die man im Frühling aus Weidenzweigen herstellt, und selbstgemachte Blockflöten werden einige nennen. Diese Blasinstrumente gehören zur traditionellen norwegischen Almwirtschaft, und damit verbindet man auch die Lockrufe mit denen die Sennerinnen ihr Vieh zur Alm zurück riefen.

Andere werden die Musik mit Tänzen in Verbindung bringen. Den akrobatischen Solotanz Halling haben viele bei Bühnenvorführungen erlebt, die Namen der Paartänze wie Springar, Gangar, Rull oder Pols werden auch manche erinnern. Wieder andere werden die Wettbewerbe, bei denen sich Volksmusiker und Tänzer treffen, nennen. Auf norwegisch nennt man diese Kappleik.

 

Alte und neue Musik

Es kommt darauf an, wen man fragt und in welchem Teil des Landes man seine Frage stellt, ob man auch Musik auf der Ziehharmonika und die neueren Tänze Walzer, Rheinländer und Polkas dazuzählt. "Rundtänze" kamen ab Ende des 18. Jahrhunderts nach Norwegen, und die Ziehharmonika trat Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Siegeszug an. In manchen Gegenden spielt und tanzt man sowohl die älteren als auch die neueren Tänze und spricht wenig über die Unterschiede zwischen ihnen. Anderswo gilt die "neue" Musik und besonders die Ziehharmonika den Anhängern der älteren Volksmusik bis heute als Bedrohung. Traditionell tanzte man zum Spiel eines einzelnen Geigers. Die ältesten Quellen, die Spielleute erwähnen, stammen aus dem 17. Jahrhundert. Es gab zahllose Dorfgeiger, die das Recht, bei Hochzeiten und zu anderen grossen Anlässen zu spielen, vom Stadtmusikanten pachten mussten. Spätestens als dieses Gesetz abgeschafft wurde, gab es aber auch reisende Geiger, die größtenteils von ihrer Kunst lebten. Sie spielten auf Märkten um die Wette, um sich für einträgliche Hochzeitsengagements attraktiv zu machen, und sie mussten die Musik liefern können, die das Publikum hören wollte. Eine ganze Generation von Spielleuten lernte deshalb die neue Musik und hatte mehrere Jahrzehnte lang fast keine Verwendung mehr für die alten Tanzmelodien. Als dann die lauteren Ziehharmonikas auftauchten, liefen die Geiger Gefahr, auch diesen "Markt" zu verlieren.

 

Die Nationalromantiker entdecken das Norwegische

Gerade zu dieser Zeit gab es aber eine neue Gruppe von "Abnehmern" für die traditionelle Musik. Dichter und Musiker hatten auf ihrer Suche eine norwegische Identität entdeckt. Aus politischen Gründen war es wichtig, eine solche zu finden. Das besondere, "norwegische", fand man in den Tälern verschiedener Landesteile. Die Hauptstadt Christiania  (1)  und Bergen mit seiner hanseatischen Tradition, waren immer offen für internationale Einflüsse. Die entlegenen Gebirgstäler von Telemark und Valdres und die tief eingeschnittenen Fjorde von Hardanger schienen isoliert und dazu vorherbestimmt zu sein, alte Traditionen unbeeinflusst zu bewahren. Wie in Kontinentaleuropa fand man zuerst Literatur, nämlich Balladen, die zum Zeitvertreib in den Bauernstuben gesungen wurden und deren Texte offensichtlich aus der Zeit vor der Reformation stammten. Bald nach den ersten Textsammlern reisten aber auch Musiker durch Norwegen und notierten Melodien und beschrieben die Eigenheiten dieses Gesangs. Ludvig Matias Lindeman erhielt Stipendien für seine Reisen und hinterließ nicht nur zahlreiche Klavierbearbeitungen, sondern auch große Mengen von Rohtranskriptionen. Gesang spielte in dieser Phase die größte Rolle, aber auch Instrumentalmelodien wurden notiert.

Bald kam aber das Selbstbewusstsein der Geiger zur Geltung. Sie hatten ihre Musik nicht im stillen Kämmerlein ausgeübt, sondern sie waren immer gezwungen gewesen, an ein Publikum zu denken und sich ihres eigenen Marktwertes bewusst zu sein. Der Hardangerfiedelspieler Knut Dahle aus Tinn in Telemark wartete deshalb nicht darauf, von einem Sammler aus der Stadt entdeckt zu werden. Er schrieb direkt an Edvard Grieg. In seinen Briefen beschrieb er, wie die alte Musik von der jüngeren Generation vergessen werde und dass er einer der wenigen Alten sei, die noch ein größeres Repertoire beherrschten. Er bat Grieg, ihn zu besuchen und seine "Slåtter", d.h. Tanzmelodien aufzuschreiben und so für die Nachwelt zu bewahren. Nach längerem Briefwechsel einigte man sich darauf, dass Dahle nach Christiania reisen sollte, um dort sein Repertoire von Johan Halvorsen notieren zu lassen, der selbst Geiger war und den instrumentenspezifischen Elementen von Dahles Spiel besser gerecht werden konnte. Halvorsens Transkriptionen erschienen bei Peters in Leipzig, bekannter wurde jedoch Griegs Bearbeitung von "17 Slåttern fürs Klavier, op. 72".

 

Volksmusik organisiert sich

Dahles Befürchtungen, dass die Musik ohne die Notenschrift vergessen würde, bestätigte sich nicht. Er selbst bekam Besuch von Rikard Berge, der sein Spiel auf Wachswalzen aufnahm, und einige seiner "Slåtter" wurden sogar auf Grammofonplatten herausgegeben. Aber auch die Schallaufnahmen spielten nur indirekt dabei eine Rolle, dass die Hardangerfiedeltradition wieder auflebte. Ermuntert durch das Interesse der Nationalromantiker organisierten die Hardangerfiedler seit 1888 eigene Wettbewerbe. Zuerst traten dabei die Spielleute an, die mit ihrem Instrument ihren Lebensunterhalt verdienten. Lars Fykerud, der einträgliche Konzertreisen unter ausgewanderten Norwegern in den USA unternommen hatte, gewann den ersten "Kappleik" in Bø in Telemark. Um 1900 entstanden die ersten Vereine zur Förderung der nationalen Musik, und 1923 fand man sich zum Landesverband der Spielleute zusammen. Die Musik, die den Tanzboden den neuen Tänzen hatte überlassen müssen, wurde zur Konzertmusik, und Geiger, die lange nur Walzer gespielt hatten, entdeckten ihr altes Repertoire wieder. Einige von ihnen wurden glühende Nationalisten, die lokale Zeitungen veröffentlichten oder im Parlament saßen.

Zahlreiche Spelemannslag und viele Wettbewerbe wurden abgehalten. Die besten Spielleute wurden von kommerziellen Gesellschaften auf Pathé- oder Grammofonplatten aufgenommen, und der norwegische Rundfunk begann 1931 seine Volksmusikprogramme unter der Leitung des Komponisten und Hardingfelespielers Eivind Groven. Der Landeswettbewerb, der jedes Jahr an einem anderen Ort stattfindet, zog viele Teilnehmer und auch eine Menge Publikum an. Dort gab es kein Geld zu verdienen, aber Wanderpokale und Applaus waren Anreiz genug für sowohl reine Amateure als auch Spielleute, die durchaus noch einträgliche Aufträge bei Hochzeiten bekamen. Auch die "gewöhnliche Fiedel" war jetzt öfter zu hören, und die ersten Sänger wagten den Schritt auf die Bühne.

 

Archive entstehen

Schon wenige Jahre später begann der Rundfunk, Aufnahmen für seine Programme auf Film zu machen, und damit entstand das erste Volksmusikarchiv. Um 1950 etablierten mehrere Universitäten ebenfalls solche Archive. In Bergen vermachte der Geiger und erste Vorsitzende des Landsverbandes der Spielleute, Arne Bjørndal, seine private Sammlung von Noten und Texten der Universität in Tromsø wurde ein Archiv für samische Musik gegründet, und in Oslo gründete Olav Gurvin das norwegische Volksmusikinstitut. Alle drei Institutionen existieren bis heute. Die Arne Bjørndals Sammlung gehörte lange zum volkskundlichen Institut der Bergener Universität, weil Bjørndal nicht nur Musik transkribiert, sondern auch Interviews durchgeführt und Briefwechsel mit Spielleuten archiviert hatte. In Oslo verfolgte der Musikwissenschaftler Gurvin andere Ziele. Er wollte naturwissenschaftliche Methoden zu Hilfe nehmen, um Antworten auf die Fragen zur Tonalität der norwegischen Volksmusik zu finden. Schon Lindeman hatte bemerkt, dass die Sänger und Instrumentalisten ungewöhnliche Skalen benutzten, und Eivind Groven, Catharinus Elling, Erik Eggen und Ole Mørk Sandvik hatten sich Anfang des 20. Jahrhunderts vehemente Debatten über die Ursachen dieser Praxis geliefert. In Zusammenarbeit mit Physikern wurde nun einer der ersten Melodieschreiber in Oslo entwickelt, und die Sammelaktivitäten zielten teilweise auf die Dokumentation gerade der Intonationspraxis.

Ein zweites großes Projekt des Volksmusikinstitutes war die Edition von Transkriptionen von Hardangerfiedelslåttern, die Ole Mørk Sandvik angeregt hatte, und die Gurvin redaktionell weiter führte, während Eivind Groven für die Auswahl und die Systematisierung dreier Transkriptionssammlungen verantwortlich war: der von Bjørndal, der von Truls Ørpen und seiner eigenen. sieben Bände erschienen zwischen 1958 und 1981, wobei die letzten beiden von einer neuen Redaktion fertiggestellt wurden, neben neuen aber auch viele von Grovens Transkriptionen enthalten. In den späteren Bänden transkribierte man zunehmend von Schallaufnahmen und hielt engen Kontakt mit Geigern und anderen Experten in den Tälern, aus denen die Slåtter stammten.

 

Aus nationaler wird regionale Musik

Allerdings gab es Anzeichen einer Überalterung. Jugendliche sprach die Musik nicht mehr an, und in einigen Provinzen galten Spielleute, die um 1930 geboren waren, als die "letzten Mohikaner". Das sollte sich erst in den 70er Jahren ändern. In Verbindung mit der Abstimmung zum EG-Beitritt 1972 wurde die eigene Volksmusik Gegenstand erneuter Aufmerksamkeit. Nun entdeckten junge Leute in der Stadt nicht nur die Hardangerfiedel, sondern auch das Akkordeon und besonders den Tanz. Zu behaupten, die Volksmusikgemeinde, die bis dahin mit den Landgemeinden verbunden war, hätte die jungen Städter sofort an ihre Brust gedrückt, ist sicherlich falsch. Aber die 70er Jahre brachten junge Leute im ganzen Land zurück zur Volksmusik. Viele der Städter verloren nach einer Weile wieder das Interesse, aber diejenigen, die sich wirklich engagierten, haben alle heute wichtigen Positionen in Volksmusikinstitutionen inne und haben dazu beigetragen, das Ansehen der Musik zu heben und ihren Stellenwert in der norwegischen Gesellschaft zu sichern. Einige haben wichtige Beiträge geliefert, um Volksmusik in das norwegische Ausbildungssystem einzugliedern, und andere arbeiten als Archivare.

Zu den größeren Archiven an den Universitäten sind im Laufe der Zeit eine Reihe von regionalen und lokalen Archiven getreten. Die Betonung des bodenständigen in den 70er Jahren führte zu einem verstärkten Interesse für die Musik der einzelnen Landstriche, und Spielmannsvereine wurden auch an Orten gegründet, die nicht für ihren Reichtum an Tradition bekannt waren. Man begann "bei sich zuhause" zu suchen, statt nur die Musik der bekannteren Provinzen nachzuahmen, und man fand eine ganze Menge. Spielleute, Sänger und Tänzer erinnerten die Musik ihrer Jugend, für die seit Jahrzehnten niemand mehr Verwendung und Interesse gehabt hatte. Da aber die meisten von ihnen entsprechend alt waren und nicht alle sofort wieder Schüler unterrichten konnten, wurde den neuen Volksmusikenthusiasten schnell klar, dass man Schall- und Filmaufnahmen machen musste, wenn diese Musik eine Chance haben sollte, an spätere Generationen weitergegeben zu werden. Die Spielmannsvereine schafften Aufnahmegeräte an und bekamen dafür oft öffentliche Mittel bewilligt, und nach einiger Zeit des Sammelns entstand der Bedarf für einen Ort, an dem man dieses Material zugänglich machen konnte. Seit 1980 sind so ungefähr 15 lokale Archive entstanden, einige in den Volksmusikhochburgen, andere in den "neu entdeckten" Regionen. In den meisten Archiven arbeiten fest angestellte Archivare mit ansehnlichen Mengen von Musik, die in verschiedenen Formaten archiviert ist, anderenorts besteht das Archiv nur aus einer kleinen Sammlung von CDs oder Kassetten, die in der örtlichen Bibliothek zugänglich sind.

 

Ein Netz von Archiven

Lokale und nationale Archive arbeiten auf unterschiedliche Weise zusammen. Die meisten Archive benutzen das Datenbankprogramm FIOL, das von der norwegischen Volksmusiksammlung an der Universität Oslo entwickelt wurde und jetzt vom Haus der Volksmusik im schwedischen Rättvik weiterentwickelt und betreut wird. Die Datenbank ermöglicht den Austausch von Informationen über die Aufnahmen in den Archiven. Unvollständig registrierte Daten in den zentralen Archiven können "vor Ort". d.h. von den lokalen Archivaren vervollständigt und korrigiert werden, weil sie einen wesentlich engeren Kontakt zu den Musikern und ihren Organisationen und dadurch direkteren Zugang zu Informationen haben. Die zentralen Archive haben wiederum die Möglichkeit, Informationen aus den lokalen Archiven zu koordinieren und zu vergleichen. Das Ziel, alle Datenbanken zu einer einzigen norwegischen zu vereinen, ist allerdings noch nicht erreicht. Das liegt einerseits an technischen Problemen, weil keines der Archive in Norwegen einen Programmierer zu Verfügung hat, der Aufgaben von dieser Größenordnung bewältigen könnte. Andererseits besteht ein Datenschutzproblem darin, dass niemand die Musiker fragen konnte, ob sie einverstanden wären, dass Informationen über ihre Aufnahmen, in Archiven überall im Land zugänglich gemacht werden. Daran scheitern auch Projekte, die Datenbanken im Internet zugänglich zu machen. Anträge, solche Fragen zumindest mit einer Auswahl von Musikern klären zu können, hatten bisher keinen Erfolg. So arbeiten die Archive bisher mit Listen aus der Datenbank, die auf Anfrage ausgedruckt und verschickt werden. Oft fragen Benutzer nach Übersichten über Aufnahmen aus einer bestimmten Provinz oder mit bestimmten Musikern. Die Schallaufnahmen in den Archiven können alle Besucher der Archive anhören, Kopien werden aber nur zu Studienzwecken, d.h. für Projekte an Universitäten und Schulen, verschickt oder wenn eine Erlaubnis der Musiker oder ihrer Nachkommen vorliegt.

Benutzer der Archive sind Musiker, Musikforscher und auch lokalhistorisch interessierte Laien. Ältere Hardangerfiedelspieler greifen selten auf Aufnahmen zurück, weil sie ihre Vorbilder entweder in ihrer eigenen Umgebung oder bei den Wettbewerben leicht treffen können. Jüngere Musiker haben zwar immer noch diese Möglichkeit, und viele finden ihre Vorbilder in der Generation vor ihnen, aber mehr und mehr interessieren sich für noch ältere Spielleute und studieren deren Aufnahmen sehr genau. Musiker aus Regionen mit einer schwächeren Tradition, wo vielleicht seit 40 Jahren kein Spielmann mehr aktiv war, haben oft von bekannten Spielleuten aus anderen Regionen gelernt. Viele von ihnen verspüren aber das Bedürfnis, einen eigenen lokalen Stil zu entwickeln und ein Repertoire aus ihrer Heimat zu lernen. Die Ausbildungsinstitutionen, die in den letzten 15 Jahren entstanden sind, unterstützen diese Denkweise und haben ihre Studenten dazu angeregt, solche lokalen Stile wieder zu beleben. Solche Studenten gehören zu den regelmäßigen Benutzern der Archive.

Die Bestände der Archive bilden oft die Grundlage für Publikationen. Forscher finden dort Aufnahmen, deren Analyse ihnen hilft, klar definierte Fragen zu beantworten. Die Mehrzahl von Veröffentlichungen stellen aber Bücher dar, die die Musik einer Region präsentieren. Typisch sind Kombinationen von Musikerbiographien, lokaler Kulturgeschichte und Noten- und Liedertextsammlungen. Oft ist es möglich, für solche Bücher vor Ort Zuschüsse zu bekommen, was zu einer Reihe von sehr ansehnlichen Publikationen norwegischer Volksmusik geführt hat. Auch Schallaufnahmen werden von den meisten Archiven herausgegeben, oft in Zusammenarbeit mit den örtlichen Spielmannsvereinen. Es gibt alle denkbaren Kombinationen von Region, Musikern, Instrumenten, Genres und Zeiträumen, die früher auf Musikkassetten und heute auf CDs herausgegeben werden. Die Auflagen sind meist klein und werden innerhalb der Region verkauft. Die Archive versuchen heute vielen Ansprüchen gerecht zu werden. Man hält engen Kontakt zu den Musikern und ihren Organisationen und hilft ihnen, Quellenmaterial zu finden. Man dokumentiert weiter die Musik der Vergangenheit, teils durch die Arbeit mit Spielmannsbüchern, in denen notenkundige Geiger Teile ihres Repertoires festhielten, teils durch die Suche nach privaten Bandaufnahmen, auf denen die Geiger ihr eigenes Spiel und das von Kollegen, die zu Besuch kamen, verewigten. Man versucht gleichzeitig, die Musik der Gegenwart so gut wie möglich zu dokumentieren, indem man junge Musiker ihr Repertoire einspielen lässt oder ganze Wettbewerbe auf Ton- und Videoband aufzeichnet. Man macht sein Material so zugänglich wie nur eben möglich und versucht, aktuelle Themen zu verfolgen. Jedes Archiv hat seine eigene Agenda, die manchmal von festgelegten Richtlinien bestimmt wird, meist aber von den persönlichen Interessengebieten des Personals.

 

Aufgaben für die Zukunft

Für die Zukunft gibt es eine Reihe wichtiger Aufgaben und Herausforderungen. Eine Aufgabe wird gerade sein, die Aktivitäten der Archive zu koordinieren und gemeinsame Pläne für das Sammeln bzw. die Beschaffung neuen Materials zu entwerfen. Immer weniger Projektmittel stehen für die Arbeit einzelner Forscher oder Institutionen zur Verfügung, und ein gemeinsames Konzept könnte die Volksmusikarchive stärken.

Auch die Publikation herkömmlicher Buchwerke wird immer schwieriger, und die Archive werden neue Wege finden müssen, ihr Material zugänglich zu machen. Der fünfte Band von Transkriptionen für "gewöhnliche Fiedel" wird aller Wahrscheinlichkeit nach nur im Internet zugänglich sein, während die ersten vier Bände und einige Bände des "Hardingfele-werkes" neben der Netzversion noch als Bücher erhältlich sind.

Am vordringlichsten ist aber die Frage, wie man Schallaufnahmen für die Zukunft bewahren soll. Der norwegische Staat hat vor einigen Jahren die Nationalbibliothek gegründet, deren Schall- und Bildabteilung im nordnorwegischen Mo i Rana den Archiven anbietet, ihr Material unter bestmöglichen Bedingungen zu lagern und zu kopieren. Man hofft, dass dieses in Zukunft den Benutzern zugute kommen wird, wohl wissend, dass das Ganze letzten Endes von staatlichen Zuschüssen abhängig ist.

 


 

1 Oslo wurde zwischen 1624 und 1924 Kristiania [Christiania] genannt.

 

 

Webmaster: Jon G. Olsen
jon.olsen@musikk.no

Webeditors: Heidi Lorentzen & Marianne Olsen